Das Dilemma der Individualisierungsdidaktik | |
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Michael Schratz, Tanja Westfall-Greiter, 2010 | |
Das Modell der flexiblen Differenzierung | |
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Das Modell der Differenzierung von Carol Ann Tomlinson gibt eine gute Orientierung bei der Planung von differenzierten Einheiten. Im Folgenden wird es kurz vorgestellt. Differenzierung als heuristisches Modell Tomlinsons Modell geht nicht von einer bestimmten Programmatik für die Durchführung des Unterrichts aus und liefert somit auch keine „Rezepte“ für Lehrpersonen, sondern ist ein heuristisches Denkmodell für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen, das sich am Lernen der Schüler/innen orientiert und Chancengerechtigkeit zum Ziel hat. Für Tomlinson ist Differenzierung also mehr eine Philosophie als eine Methode; es geht darum, die Schülerfaktoren, die für den schulischen Erfolg relevant sind, systematisch zu erheben, um sie dann in die Unterrichtsplanung miteinzubeziehen. Flexible Differenzierung fußt auf Prinzipien, die Tomlinson als „non-negotiable“ (=nicht verhandelbar) bezeichnet. Diese Prinzipien bilden die Basis, auf der Differenzierung aufbauen kann und sie müssen alle immer präsent sein, wenn Differenzierung gelingen soll.
Ein klares Curriculum stellt sicher, dass die Lernenden nicht einfach alle irgendwie beschäftigt sind, sondern dass sie sich tatsächlich mit denselben Lernzielen beschäftigen, auch wenn sie an unterschiedlichen Aufgaben arbeiten. Über Ziele und Kriterien konnte man schon im Kapitel „Lerndesign“ vieles erfahren. Wie man nun flexibel Gruppen einteilen kann, ohne auf Zuschreibungen zurückgreifen zu müssen, wird in den folgenden Modulen sichtbar werden. Ebenso zentral sind respektvolle Aufgaben. Gut konstruiert erlaubt ein und dieselbe Aufgabenstellung eine Bearbeitung auf ganz unterschiedlichem Kompetenzniveau und wirkt somit für sich differenzierend. Mehr dazu finden Sie im Kapitel „Aufgabenkultur “. Unter Berücksichtigung der besprochenen Prinzipien kann der Unterricht differenziert werden. Dabei werden die fachliche Bereitschaft (Vorwissen und Vorerfahrung) der Schüler/innen in Bezug auf einen bestimmten Lerninhalt zu einer bestimmten Zeit, ihre Interessen und Lernprofile berücksichtigt, um Lerninhalte, Lernprozesse, Lernprodukte und das Lernumfeld so gestalten zu können, dass allen Schülerinnen/Schülern maximaler Lernerfolg ermöglicht wird.
Literatur Tomlinson, C.A. (2001): How to Differentiate Instruction in Mixed-Ability Classrooms, Virginia: Association for Supervision and Curriculum Development Hattie, J. (2014): Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Baltmannsweiler
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Differenzierungsmatrix | |
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In der Differenzierungsmatrix gibt es zwölf verschiedene Bereiche, doch was ist damit denn genau gemeint? Was versteht man denn wirklich unter diesen Begriffen?
Vorwissen und LernumfeldVorwissen Bei Differenzierung denken die meisten Lehrpersonen an Differenzierung nach Vorwissen. Häufig wird dabei aber mehr das Bauchgefühl bemüht als konkrete Evidenz und dieses kann täuschen. Es ist daher essentiell, dass das Vorwissen vorab in einer Lernstandserhebung festgestellt wird und erst danach ein differenziertes Angebot gemacht wird. Lernumfeld Unter dem Lernumfeld versteht man sowohl Elemente des Klassenraums, wie Sitzordnung oder reservierte Bereiche im Klassenraum als auch die Gefühlswelt der Schüler/innen. Das äußere Lernumfeld – der Raum – wird ja oft als „dritter Pädagoge“ bezeichnet. Grundsätzliche sollte der Raum so gestaltet sein, dass sich Veränderungen rasch und ohne viel Aufwand durchführen lassen. Dazu sind flexible Klassenmöbel (Einzeltische, Stühle mit Rollen etc.) günstig. So kann man die Sitzordnung schnell anpassen. Die Gefühlswelt der Schüler/innen lässt sich weitgehend nur erahnen und schwer einplanen. Hier ist genaue Beobachtung und rasches Handeln gefragt. Mögliche Differenzierungen im Bereich Vorwissen/Lernumgebung sind
Vorwissen und LernprozessVorwissen Bei Differenzierung denken die meisten Lehrpersonen an Differenzierung nach Vorwissen. Häufig wird dabei aber mehr das Bauchgefühl bemüht als konkrete Evidenz und dieses kann täuschen. Es ist daher essentiell, dass das Vorwissen vorab in einer Lernstandserhebung festgestellt wird und erst danach ein differenziertes Angebot gemacht wird. Lernprozess Bei Differenzierung von Lernprozessen geht es darum, wie sich die Schüler/innen die Inhalte zu eigen machen können. Hier wird also das Augenmerk auf die Aufgaben (respektvolle Aufgaben!) gelegt. Die Entscheidung, den Lernprozess nach Vorwissen zu differenzieren oder nicht, hängt davon ab, inwieweit sich bei Vorerhebungen zeigt, dass Vorwissen und Vorerfahrungen in der Klasse in Bezug auf das aktuelle Lernziel auseinander liegen. Beispiel Deutsch – Zeitungsartikel Bei einer Erhebung zeigt sich, dass einige Lernende gleich mit der Recherche und dem Schreiben des Artikels beginnen können, während andere beim Aufbau von Texten noch Unterstützung brauchen. Diese bekommen sie einen „graphic organizer“, auf dem die Struktur vorgeben ist, und weitere Hilfsangebote, z.B. eine Dose mit verschiedene Überschriften zum Thema, von denen sie eine wählen können. Zusätzlich gibt es Leitfragen, die dabei helfen, das Thema zu erschließen. Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Vorwissen und LernproduktVorwissen Bei Differenzierung denken die meisten Lehrpersonen an Differenzierung nach Vorwissen. Häufig wird dabei aber mehr das Bauchgefühl bemüht als konkrete Evidenz und dieses kann täuschen. Es ist daher essentiell, dass das Vorwissen vorab in einer Lernstandserhebung festgestellt wird und erst danach ein differenziertes Angebot gemacht wird. Lernprodukt Lernprodukte sind jene komplexen Aufgaben, die den Lernenden ermöglichen sollen, ihr Wissen, Verstehen und Können zu demonstrieren. Sie werden sowohl für formative als auch summative Leistungsfeststellung verwendet. Dabei ist es wichtig, dass die Lehrkraft im Auge behält, welche Wissens-, Verstehens-, und Tun Können Ziele tatsächlich überprüft werden sollen, diese müssen nämlich für alle Lernenden gleich sein. Grundsätzlich gilt: Leistungsfeststellungsaufgaben sollen möglichst offen und komplex (entsprechend dem Zielbild) gestellt werden, damit die Schüler/innen ihre Könnerschaft demonstrieren können. Eine Zuordnung von weniger komplexen Beispielen für manche Schüler/innen ist bei der Leistungsbeurteilung (z.B. in einer Schularbeit oder einem Test) nicht erlaubt (auch nicht in der NMS). Mögliche Differenzierungen im Bereich Vorwissen/Lernprodukt sind
Vorwissen und LerninhaltVorwissen Bei Differenzierung denken die meisten Lehrpersonen an Differenzierung nach Vorwissen. Häufig wird dabei aber mehr das Bauchgefühl bemüht als konkrete Evidenz und dieses kann täuschen. Es ist daher essentiell, dass das Vorwissen vorab in einer Lernstandserhebung festgestellt wird und erst danach ein differenziertes Angebot gemacht wird. Lerninhalt In der Differenzierung des Lerninhaltes geht es um die Frage, welchen unterschiedlichen Input die Lernenden durch die Lehrperson erhalten. Der Lerninhalt ist über den Lehrplan festgelegt, doch es liegt in der Aufgabe der Lehrerin/des Lehrers, die für die Unterrichtssequenz relevanten Kernfragen zu definieren (Worum geht es eigentlich? Was müssen alle verstanden haben?), denn diese Ziele gelten für alle Lernenden. Beispiel Mathematik - Gleichungen Als Erhebung im Vorfeld wurden drei Gleichungsaufgaben gestellt und die Verstehensfrage gestellt, „Was ist eine Gleichung in der Mathematik?“ Es zeigen sich große Unterschiede im Verständnis des Themas und in den Fähigkeiten die Aufgaben zu lösen. Nach einem gemeinsamen Einstieg bekommen die Lernenden entsprechend ihrer Fähigkeiten, Gleichungen zu lösen, unterschiedliche Aufgaben, die an ihren Leistungsstand so angepasst sind, dass sie sie zur nächsten Stufe führen. Das gilt auch für weit fortgeschrittene Lernende. Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Lernprofil und LernproduktLernprofil Lernprofile geben Informationen darüber, wie die Lernenden am besten individuell lernen. Dabei werden zum Beispiel Lernstile und bevorzugte Intelligenzen betrachtet (z.B. verbal-sprachlich, logisch-mathematisch, kinästhetisch, interpersonal, musisch, analytisch, praktisch, kreativ….). Lernprodukt Lernprodukte sind die Aufgaben, die den Lernenden ermöglichen sollen, ihr Wissen, Verstehen und Können zu beweisen. Es ist essentiell, dass die Lehrkraft sicherstellt, dass in allen angebotenen Lernprodukten dieselben Ziele überprüft werden. Häufig kann eine Fähigkeit oder das Verständnis und Wissen in einer Vielzahl von Produkten abgeprüft werden und unterschiedlichste Produkte können dazu dienen, den Grad der Zielerreichung zu messen. So muss eine Argumentation in Mathematik nicht schriftlich sein, die Beantwortung einer Frage in Geschichte kann auch in Form eines Podcasts stattfinden. Das grundsätzliche Verständnis von Stoffkreisläufen in Biologie kann als Aufsatz, als Graphik, als Rollenspiel, als Kurzfilm, als Experteninterview im Radio etc. erhoben werden. So können auch Schüler/innen mit individuellen Schwächen (z.B. Lese-Rechtschreib-Schwächen) ihre Fähigkeiten vollständig zeigen. Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Lernprofil und LernprozessLernprofil Lernprofile geben Informationen darüber, wie die Lernenden am besten individuell lernen. Dabei werden zum Beispiel Lernstile und bevorzugte Intelligenzen betrachtet (z.B. verbal-sprachlich, logisch-mathematisch, kinästhetisch, interpersonal, musisch, analytisch, praktisch, kreativ….). Lernprozess Bei Differenzierung von Lernprozessen geht es darum, wie sich die Schüler/innen die Inhalte zu eigen machen können. Hier wird also das Augenmerk auf die Aufgaben (respektvolle Aufgaben!) gelegt. Gerade im Lernprozess wird die Effektivität sehr gehoben, wenn die Lernenden entsprechend ihres Lernprofils arbeiten können und vielfältige Angebote zur Verfügung haben. (Jedoch Vorsicht – keine Zuteilung zu „Lerntypen“ oder „Intelligenztypen“ vornehmen!) Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Lernprofil und LerninhaltLernprofil Lernprofile geben Informationen darüber, wie die Lernenden am besten individuell lernen. Dabei werden zum Beispiel Lernstile und bevorzugte Intelligenzen betrachtet (z.B. verbal-sprachlich, logisch-mathematisch, kinästhetisch, interpersonal, musisch-rhythmisch, analytisch, praktisch, kreativ….). Lerninhalt Man spricht vom Lerninhalt, wenn man den Lehrerinput betrachtet (mündlich oder in Form von Material). Der Lerninhalt ist über den Lehrplan festgelegt, doch es liegt in der Aufgabe der Lehrerin/des Lehrers, die für die Unterrichtssequenz relevanten Kernfragen zu definieren (Worum geht es eigentlich? Was müssen alle verstanden haben?). Die Ziele gelten für ALLE Schüler/innen. Wie kann der Inhalt dennoch differenziert werden? Wichtig ist dabei immer, die Wissens- Könnens- und Verstehensziele im Auge zu behalten, denn diese sollen ja für alle gleich bleiben. Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Lernprofil und LernumfeldLernprofil Lernprofile geben Informationen darüber, wie die Lernenden am besten individuell lernen. Dabei werden zum Beispiel Lernstile und bevorzugte Intelligenzen betrachtet (z.B. verbal-sprachlich, logisch-mathematisch, kinästhetisch, interpersonal, musisch, analytisch, praktisch, kreativ….). Lernumgebung/Lernumfeld Unter dem Lernumfeld versteht man sowohl Elemente des Klassenraums, wie Sitzordnung oder reservierte Bereiche im Klassenraum als auch die Gefühlswelt der Schüler/innen. Schüler/innen lernen unterschiedlich. Während manche besonders gerne und gut in Gruppen lernen, brauchen andere völlige Ruhe. In einem differenzierten Lernumfeld kann allen Bedürfnissen entsprochen werden. Grundsätzliche sollte der Raum so gestaltet sein, dass unterschiedliche Lernsettings möglich sind und sich Veränderungen rasch und ohne viel Aufwand durchführen lassen. Dazu sind flexible Klassenmöbel (Einzeltische, Stühle mit Rollen etc.) günstig. So kann man die Sitzordnung schnell anpassen. Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Interesse und LerninhaltInteressen Die Interessen der Schüler/innen sind vielfältig und manchmal überraschend für uns. Nützen Sie Pausen, Nachmittags-Betreuungsstunden oder auch einmal die normalen Stunden, um etwas darüber zu erfahren. Es zahlt sich aus! Die Anziehungskraft von YouTubern beispielsweise ist für unsere Lehrergeneration manchmal schwer nachvollziehbar, kann aber für den Unterricht genützt werden, wenn man die Lernenden animieren kann, ihren Idolen nachzueifern und selbst zu Unterrichtsthemen kurze Videos zu drehen. Lerninhalt Man spricht vom Lerninhalt, wenn man den Lehrerinput betrachtet (mündlich oder in Form von Material). Der Lerninhalt ist über den Lehrplan festgelegt, doch es liegt in der Aufgabe der Lehrerin/des Lehrers, die für die Unterrichtssequenz relevanten Kernfragen zu definieren (Worum geht es eigentlich? Was müssen alle verstanden haben?). Die Ziele gelten für ALLE Schüler/innen. Wie kann der Inhalt dennoch differenziert werden? Wichtig ist dabei immer, die Wissens- Könnens- und Verstehensziele im Auge zu behalten. Gerade in Deutsch und Englisch gibt es hier vielfältigste Möglichkeiten, da in diesen Fächern das Lernziel oft einen Text zu verfassen (z.B. Bericht, Artikel schreiben) oder etwas mündlich zu kommunizieren ist. Hier ist der Inhalt völlig frei. Aber auch in anderen Fächern öffnen sich die Möglichkeiten, sobald man auf die essentiellen Kernfragen zurückgeht. Der Lehrplan fordert häufig, Konzepte exemplarisch an einem Bereich zu verdeutlichen, der Bereich ist aber freigestellt. Hier schränkt uns die Gewohnheit manchmal mehr ein, als uns bewusst ist (Tipp: Lehrplan lesen: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40181121/NOR40181121.pdf ). Geht es in Geschichte beispielsweise um „Soziale und militärische Konflikte, ihre Ursachen und Lösungsversuche“ kann man unterschiedlichste Beispiele auswählen und den Fokus einmal mehr auf soziale, einmal mehr auf militärische Konflikte legen. Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Interesse und LernproduktInteressen Um nach Interessen differenzieren zu können, ist es notwendig, diese zu kennen. Vieles ergibt sich in persönlichen (Pausen-)Gesprächen, doch oft fällt es Lehrpersonen schwer, Interessen systematisch zu erheben. Eine ganz einfache Möglichkeit ist, auf jedem Arbeitsblatt eine persönliche Frage zu stellen, sodass im Laufe der Zeit ein komplexes Interessensprofil der Schülerin/des Schülers entsteht. Oder erheben Sie einfach einmal einige Daten mit einem Umfragetool wie plickers.com. Lernprodukt Lernprodukte sind jene komplexen Aufgaben, die den Lernenden ermöglichen sollen, ihr Wissen, Verstehen und Können zu demonstrieren. Sie werden sowohl für formative als auch summative Leistungsfeststellung verwendet. Dabei ist es wichtig, dass die Lehrkraft im Auge behält, welche Wissens-, Verstehens-, und Tun-Können-Ziele tatsächlich überprüft werden sollen, diese müssen nämlich für alle Lernenden gleich sein. Häufig kann eine Fähigkeit in einer Vielzahl von Produkten abgeprüft werden. Einen Bericht kann man über ein Fußballmatch genauso wie über eine wissenschaftliche Entdeckung schreiben. Ein Beschwerdebrief kann für ein defektes LAN Kabel oder eine scheuernde Pferdedecke geschrieben werden. Um in Biologie zu beweisen, dass man die Grundprinzipien eines Experimentes verstanden hat, kann man Beispiele aus der Zoologie, der Botanik oder der Verhaltensforschung auswählen, eventuell sogar aus der Psychologie oder Physik? – Das hängt davon ab, was die Verstehens-, Tun- Können und Wissensziele des Themas waren. Mögliche Differenzierungen im Bereich Interesse/Lernprodukt sind
Interesse und LernprozessInteressen Manchmal fällt es schwer, die Interessen der Schüler/innen zu erkennen. Legen Sie einfach ein Heft an, wo alle Lehrpersonen der Klasse eintragen, was sie im Laufe der Zeit über die Interessen der Kinder erfahren (z.B. Martin interessiert sich für Roboter. / Merit macht eine Hip-Hop-Kurs ...) (Diese Eintragungen sind zusätzlich auch für die EDL sehr nützlich.) Lernprozess Bei Differenzierung von Lernprozessen geht es darum, wie sich die Schüler/innen die Inhalte zu eigen machen können. Hier wird also das Augenmerk auf die Aufgaben (respektvolle Aufgaben!) gelegt. Gerade im Lernprozess wird die Motivation extrem gehoben, wenn die Schüler/innen Aufgaben bearbeiten können, die ihrem Interesse entsprechen. Beispiel fächerübergreifender Unterricht Mathematik / Geographie / Deutsch Die Schüler/innen planen eine Kurzreise für die Klasse und erstellen dafür ein Konzept, in dem sowohl das Reise-Angebot als auch die geographischen und touristischen Besonderheiten der Gegend beschrieben werden. Auflage: Maximale Kosten 250€ pro Person / mindestens ein kulturelles Angebot + ein geographisch interessanter Ausflug. Alle Reisen werden vorgestellt – danach wählt die Klasse, welche Reise am Schulende gemacht werden soll. Es ist den Schülerinnen/Schülern freigestellt, die Art des Urlaubes zu wählen. Außerdem wird der Lernprozess differenziert, indem den Schülerinnen/Schülern unterschiedliche Herangehensweisen an die Aufgabe ermöglicht werden (Rechercheseiten im Internet angegeben, Prospekte und Bücher, Anruf in einem Reisebüro…) und jede/r ihre/seine Stärken nützen kann (Aufgabenteilung in der Gruppe!) Weitere Möglichkeiten um in diesem Bereich der Matrix zu differenzieren
Interesse und LernumfeldInteresse Oft erfahren wir nur durch Zufall etwas über die Interessen der Schüler/innen. Manche Fächer sind gut geeignet, um viel von den Kindern zu erfahren, z.B. Englisch, wo es im ersten Lernjahr eigentlich inhaltlich primär um die Schüler/innen und ihre Lebenswelt geht. Wenn sich Lehrer/innen untereinander über das austauschen, was sie über die Schüler/innen wissen, gelingt die Differenzierung nach Interesse allen leichter. Ebenso hilft es, systematisch Interessen zu erheben, z.B. mit einer kleinen Frage darüber auf jedem Arbeitsblatt. Lernumfeld Unter dem Lernumfeld versteht man sowohl Elemente des Klassenraums, wie Sitzordnung oder reservierte Bereiche im Klassenraum als auch die Gefühlswelt der Schüler/innen. Die Gefühlswelt der Schüler/innen lässt sich weitgehend nur erahnen und schwer einplanen. Hier ist genaue Beobachtung und rasches Handeln gefragt. Oft lässt sich das Interesse an einer Arbeit oder einem Thema auch erst wecken, wenn die Gefühlsebene passt, sich die/der Lernende eine Herausforderung also auch zutraut. Das äußere Lernumfeld – der Raum – wird ja oft als „dritter Pädagoge“ bezeichnet. Grundsätzlich sollte der Raum so gestaltet sein, dass sich Veränderungen rasch und ohne viel Aufwand durchführen lassen. Dazu sind flexible Klassenmöbel (Einzeltische, Stühle mit Rollen etc.) günstig. So kann man die Sitzordnung schnell anpassen. Mögliche Differenzierungen im Bereich Interesse/Lernumfeld sind
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Flexible Differenzierung | |
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Flexible Differenzierung: Was ist gemeint und worum geht es?Erfolg = hoher Anspruch + bedarfsgerechte Förderung Differenzierung ist das Erkennen von Differenzen in einer Lerngemeinschaft, das zu einer Berücksichtigung der Unterschiedlichkeiten der Lernenden durch eine entsprechende Unterrichtsgestaltung führt. Die flexible (innere) Differenzierung lebt vom Prinzip permanent wechselnder Gruppierung von Lernenden, die in der Praxis zu einer starken, inklusiven Lernumgebung für alle führt. Es geht hier um "academic diversity", d.h. die Unterschiede, die für den schulischen Erfolg relevant sind:
Dabei berücksichtigt die Lehrperson das Vorwissen, die Interessen und die Lernprofile der Lernenden, um die Lerninhalte, Lernprozesse, Lernprodukte und das Lernumfeld für die Lernenden zu optimieren, damit sie bestmögliche Lernchancen haben. Differenzierungsmaßnahmen werden nicht nach dem Gießenkannenprinzip, d.h. möglichst viel möglichst oft, sondern strategisch eingesetzt. Um eine Differenzierungsstrategie zu bestimmen, braucht die Lehrperson aktuelle Informationen über den Lernstarnd der Schüler/innen. (siehe "Formative Leistungsbeurteilung") Transparente Beurteilungskriterien, hoher Anspruch, kontinuierliche Lernstandserhebungen und respektvolle, authentische Aufgaben sind Merkmale dieser Praxis. Das ZLS bevorzugt das Differenzierungsmodell der Differenzierungsexpertin Carol Ann Tomlinson, Professorin an der University of Virginia. In diesem evidenz-basierten Modell – welches keine Programmatik, sondern ein heuristisches Instrument für Überlegungen ist, die zu einem wirksamen Unterricht hinsichtlich der Lernergebnisse der Schüler/innen führen - werden die fachliche Bereitschaft (Vorwissen und Vorerfahrung) der Schüler/innen in Bezug auf einen bestimmten Lerninhalt zu einer bestimmten Zeit, ihre Interessen und Lernprofile berücksichtigt, um Lerninhalte, Lernprozesse, Lernprodukte und das Lernumfeld so gestalten zu können, dass allen Schülerinnen und Schülern maximaler Lernerfolg ermöglicht wird. Das Modell lässt sich wie folgt darstellen:
Schülerfaktoren berücksichtigen und strategisch handeln: Differenzierung nach Vorwissen/Vorerfahrung ermöglicht Lernzuwachs. Differenzierung nach Interessen bewirkt eine höhere Motivation von Schülerinnen und Schülern. Differenzierung nach Lernprofilen führt zu größtmöglicher Effizienz beim Lernen. Flexible Differenzierung ist vielmehr eine Strategie. Cindy Strickland empfiehlt daher mit der Differenzierungsmatrix zu arbeiten, um auf Basis von aktuellen Informationen zum Lernstand der Schüler/innen (Prinzip Lernstandsbeobachtung - siehe auch "Formative Leistungsbeurteilung" im InfoPool). Zitate von Carol Ann Tomlinson: “Differentiating instruction is not an instructional strategy or a teaching model. It’s a way of thinking about teaching and learning that advocates beginning where individuals are rather than with a prescribed plan of action, which ignores student readiness, interest, and learing profile. It is a way of thinking that challenges how educators typically envision assessment, teaching, learning, classroom rules, use of time, and curriculum.” (The Differentiated Classroom, 108). “A young teacher working hard to implement a differentiated classroom recently reflected, ’Differentiated instruction isn’t a strategy. It’s a way of thinking all you do when you teach and all that the kids do when they learn.’ Not only is she correct, but her insight offers important guidance. Instead of first focusing on what to do in the classroom, it’s wisest to focus on how to think about teaching and learning.” (The Differentiated Classroom, 96) Weitere Kernideen zur flexiblen Differenzierung:
Botschaften der flexiblen Differenzierung (nach Carol Ann Tomlinson)
Reflexionsfragen zur Differenzierung:
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Flexible Differenzierung - Mythen und Fakten | |||||||||||||||||||
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Literatur Tomlinson, C. A., & McTighe, J. (2006). Integrating differentiated instruction and understanding by design. Alexandria, VA USA: ASCD. Tomlinson, C.A. (2003). Fulfilling the Promise of the Differentiated Classroom: Strategies and Tools for Responsive Teaching. Virginia: ASCD. Westfall-Greiter, T., Schlichtherle, B., (2016). Werkstätten Lerndesignarbeit: Werkzeuge für Praxisentwicklung. Digitale Version auf www.nmsvernetzung.at Wiggins, G. & McTighe, J. (2005). Understanding by Design. Expanded 2nd Edition. Alexandria, VA: ASCD.
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Flexible Differenzierung - Unterrichtsfaktoren | |
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Auszug aus Aufnahmen von BildungsTV beim 1. Regionalen Lernatelier der G4 West Tanja Westfall-Greiter, Bundeszentrum für lernende Schulen, sensibilisiert für den Diskursbereich Tempo und Geschwindigkeit. Dauer: 14 Minuten Die Mittelschule hat den Auftrag, Kinder und Jugendliche zu bilden, ihre Denkfähigkeit zu entwickeln. Lernen und Denken brauchen Zeit. Warum wird in unseren Schulen Langsamkeit oft mit Schwäche gleichgesetzt und nicht als Zeichen von Überlegtheit gesehen? Warum stehen Schülerinnen unter Schüler unter einem permanenten Zeitdruck? Fordert die Wirtschaft wirklich in erster Linie Menschen, die schnell sind? Lehrpersonen haben nicht unter Kontrolle, was die Schülerinnen und Schüler in ihren ganz persönlichen und somit einzigartigen "Rucksäcken" mitbringen, sehr wohl können sie aber Lerninhalte, Lernprozesse, Lernprodukte und das Lernumfeld bestimmen, um erfolgversprechende Strategien für bestimmte Klassen und bestimmte Unterrichtsthemen zu entwickeln. | |
Flexible Differenzierung - Was ist es? | |
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Warum überhaupt Differenzierung? Und was bedeutet in diesem Zusammenhang „flexibel“? Seit dem Wegfall der unterschiedlichen Leistungsgruppen in den früheren Hauptschulen gibt es innerhalb einer Schulform (VS, NMS, AHS) in Österreichs Schulen bewusst keine äußere Differenzierung mehr, Grundlage dafür sind Schulwirksamkeitsforschungen, u.a. von John Hattie. Für Lehrpersonen ist es eine große pädagogische Herausforderung, Schüler/innen in einer heterogenen Lerngruppe entsprechend ihrem Leistungsvermögen zu fördern und zu fordern. Was ist das Ziel jeglicher Differenzierung?
Was ist Differenzierung sicher nicht?
Was genau versteht man nun unter „Flexibler Differenzierung“? Man spricht bei der flexiblen Differenzierung von einer informierten Strategie. Das bedeutet, dass unterschiedliche Angebote aufgrund von konkret erhobenen Informationen zum Lernstand der Lernenden bzw. aufgrund von Wissen über die Interessen oder Lernprofile der Lernenden angeboten werden. Diese unterschiedlichen Lernangebote führen jedoch alle zum gleichen Lernziel. Jeder Differenzierung geht eine Erhebung oder Messung, formeller oder informeller Art voraus und differenziertes Material bzw. Aufgabenstellungen werden ausschließlich dann angeboten, wenn sich diese Vorgehensweise aufgrund von erhobenen Fakten als sinnvoll erweist, also z.B. wenn das Vorwissen der Lernenden extrem divergiert. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Lernenden die Lernziele auf dem für sie höchstmöglichen Niveau erreichen. Differenzierung führt also zur Steigerung des Lernerfolges für alle, auch für besonders leistungsstarke Lernende.
Literatur Tomlinson, C.A. (2001): How to Differentiate Instruction in Mixed-Ability Classrooms, Virginia: Association for Supervision and Curriculum Development Hattie, J. (2014): Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Baltmannsweiler
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Flexible Differenzierung - Werkzeuge | |
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Um als Lehrperson flexibel differenzieren zu können, bedarf es neben dem theoretischen Wissen um die Zielabsicht auch Werkzeuge, die einem dabei im Alltag unterstützen. Flexible Differenzierung ist mehr als nur der Einsatz unterschiedlicher Methoden – aber Methoden (Werkzeuge) helfen beim flexiblen Differenzieren! Praktische Herangehensweise an das Thema „flexible Differenzierung“ Carol Ann Tomlinson führt in ihrem Modell zur flexiblen Differenzierung unterschiedlichen Ebenen (Ressourcen der Lernenden, Unterrichtsfaktoren und allgemeinen Prinzipen) an, bei denen es anzusetzen gilt, wenn man flexible differenzieren möchte. Dieses Modell wurde in seiner Theorie bereits erläutert, um jedoch auch praktisch damit arbeiten zu können, gibt es Methoden bzw. wie wir es hier nennen möchten, Werkzeuge. Eine Auswahl dieser, angeordnet nach den unterschiedlichen Ebenen, sollen in weiterer Folge vorgestellt werden. Werkzeuge und Methoden sind immer dann erfolgreich, wenn man sich mit diesen identifizieren kann bzw. Authentizität bei der Anwendung sichtbar wird. Exemplarisch Konkrete Werkzeuge Ebene „Ressourcen der Lernenden“ Ja/Nein Kärtchen Die Lernziele (Verstehen/Wissen/Können) zum aktuellen Thema werden präsentiert. Jede Schülerin/jeder Schüler erhält ein Kärtchen, beschriftet dieses mit „Ja! Das weiß ich/kann ich“ auf einer Seite und mit „Nein!- Keine Ahnung!“ auf der anderen Seite. Nach jeder Aussage zu V/W/T wird die zutreffende Antwort hochgehalten. Ebene „Unterrichtsfaktoren“ Um im Unterricht flexibel handeln, sich mitunter zur Unterstützung von Schülerinnen/Schülern frei spielen zu können und die verbleibende Zeit von jenen Schülerinnen/Schülern, die ihre Aufgaben bereits bestmöglich erfüllt haben, sinnvoll zu nützen, können sogenannte „Anker-Aktivitäten “ hilfreich sein. Dabei geht es nicht um einen „Zeitfüller“, sondern um Aufgaben, die themenbezogen sind, sich auf die Dimensionen des Lernens (Verstehen/Wissen/Können/Person/Gruppe) beziehen und nach Inhalt/Interesse/Lernprofile/Lernprozesse differenziert sein können. Ebene „allgemeine Prinzipien“ – Ein Beispiel zu Lernstandsbeobachtung In einem differenzierten Klassenzimmer werden die Schüler/innen zur täglichen/wöchentlichen Evaluation ihres Lernfortschritts und ihres persönlichkeitsbildendes Wachstums (Arbeitsverhalten/Soziales, etc.) ermutigt. Ein effizientes Instrument dazu ist das Lernzonenkärtchen, auf welchem die Schüler/innen selbstständig eintragen, wie sie für sich die gestellten Aufgaben einschätzen: zu leicht, genau richtig, zu schwer. Diese Rückmeldung hilft wiederum der Lehrperson mit den Schülerinnen/Schülern weiter zu arbeiten.
Literatur Tomlinson, C. A. (1999). The Differentiated Classroom. Responding to the Needs of All Learners. Alexandria, VA USA: ASCD.
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Impulse zum pädagogischen Grundbegriff Lernen | |
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Tanja Westfall-Greiter, 2010 | |